Als weißer Rabe in San Fran

Meine Teilnahme an der Jahresversammlung der AAAS erregte einige Aufmerksamkeit - nicht nur, weil ich der erste DDR-Wissenschaftler war, der von der renommierten, größten Wissenschaftlerorganisation der USA zu einem Vortrag eingeladen worden war. Bemerkenswert fand die Deutsche Presseagentur auch, dass ich die Desinformationen meines Ostberliner Kollegen Jakob Segal bezüglich der angeblichen Herkunft des AIDS-Erregers aus dem Biowaffen(schutz)institut der US-Armee Fort Detrick zurückwies. Neben dessen Kommandeur saß ich ja in San Francisco auf dem Podium. Zu Hause löste das dann noch einigen Wirbel aus.

 

Meine Einladung zum AAAS-Kongress hatte mehrere Konsequenzen.  Die wichtigste ist bereits beschrieben: der Anstoß zur Entwicklung des Vaccines-for-Peace-Projektes.

Zweitens wurde von meinen amerikanischen Kollegen, insbesondere von Barbara Rosenberg und Gunther Stent, gemeinsam mit den Vertretungen der DDR in Washington DC und in New York für mich ein vierwöchiges Vortragsprogramm queer durch die USA organisiert. 

Bei dieser Gelegenheit besuchte ich auch wieder Delbrücks Witwe Manny und ihre Kinder und wir fanden sogar wieder Zeit zum "scrabbeln".

Drittens geriet ich nach meiner Rückkehr nach Berlin erneut in den Focus der Parteiführung als auch des Ministeriums für Staatssicherheit - ohne Blessuren davon zu tragen. Über meine Auftritte in den USA hatte nicht nur dpa mit oben kopierter Meldung reagiert. Ein langer Bericht erschien unter anderem am 24. Februar 1989 im Rheinischen Merkur / Christ und Welt. Dieser Artikel wurde auch von der Stasi gelesen. Die recherchierte im Ministerium und erfuhr, ich sei "als 'Friedensforscher' Angehöriger des Komitees Frieden und  und Abrüstung [was es aber nicht gab, ich war aber Mitglied anderer einschlägiger offizieller - nicht dissidentischer! - Gruppierungen]. Weiter heißt es: er "setzt sich mit chemischer und biologischer Kriegsführung auseinander. Er ist parteilos, sehr engagiert und international anerkannter Wissenschaftler".

Die dpa-Meldung hatte auch Jakob Segal gelesen, mit dem ich seit Jahren über Kreuz lag.  Der hatte ja geglaubt, wenn er mich ja bei der Parteiführung als "Vorhut der US-Molekularbiologie" angeschwärzt, was sich als Schuss in den Ofen erwies. Diesmal beschwerte er sich bei Politbüromitglied Hermann Axen, ich wäre im Land des Klassenfeinds herumgereist und seine Thesen über die Herkunft des AIDS-Erregers als "unappetitlichen Politthriller" bezeichnet. So hatte dpa ja die Meldung über meinen Auftritt betitelt. Segal hatte sie abgeschrieben und dem Brief an Axen beigelegt. Aber der reichte das denuziatorische Material an die Gesundheitspolitiker weiter, und die tolerierten mein Verhalten. Mehr dazu in  Drosophila oder die Versuchung.