Fake News und dergleichen
Fake News, „gefälschte Nachrichten“, gibt es mindestens seit der Antike. Sie verbreiteten sich nur nicht so schnell wie heute. In der Regel werden sie gestreut, um irgendwelches Unheil anzurichten. Falsche Behauptungen über Entwicklung, Produktion, Bevorratung und/oder den Einsatz biologischer Waffen waren die Hauptantriebskräfte für die biologische Rüstungsspirale, die sich ab 1915 zu drehen begann und die mit dem blutigen Irakkrieg zum Stillstand kam, ausgelöst durch die von "Curveball" verbreiteten Fake News.
Im XXI. Jahrhundert spielen global verbreitete Fake News, insbesondere Desinformationen, eine zunehmend bedrohlichere Rolle als Element der hybriden Kriegsführung.
Auf den folgenden Seiten beschäftige ich mich mit Fake News and ähnlichen Verlautbarungen, mit denen ich in dieser oder jener Form direkt konfrontiert worden war.
Der erste Amikäfer war ein Fake
Seit ihrer Entdeckung hatte man vor – den zunächst nur in den USA vorkommenden – Kartoffel- oder Colorado-Käfern große Angst. Kaiser Wilhelm I hatte deshalb schon 1875 die Einfuhr von Kartoffeln aus Amerika verboten, sowie von Schalen und anderen Kartoffelabfällen. Selbst „Säcke oder sonstige Gegenstände, welche zur Verpackung oder Verwahrung solcher Kartoffeln oder Kartoffelabfälle gedient haben“ durften nicht eingeführt werden.
Aber dann schien es 1902 doch so ein Schädling nach Mecklenburg geschafft zu haben. Das löste eine Staatsaktion aus.
Unter diesen Umständen schlug am 22. August 1902 beim Reichskanzler in Berlin ein Brief vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg wie eine Bombe ein.
Antifaschistische Fake News
Ab Ende der 1920er versuchten deutsche Pazifisten und Antifaschisten die Welt vor der geheimen deutschen Wiederaufrüstung und vor Hitlers Plänen zu warnen. Sie veröffentlichten ein gefälschtes Tagebuch eines Reichswehrgenerals und andere Fake News. Die fielen unter anderem bei einem einflussreichen britischen Journalisten, Wickham Steed, auf fruchtbaren Boden. Der veröffentlichte 1934 einen längeren Artikel über angebliche Biowaffenexperimente der Reichswehr. Das führte nachweislich dazu, dass mehrere deutsche Nachbarstaaten eigene Biowaffenprogramme aufnahmen.
Selbst im „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ nahm man ihn Ernst, ließ ihn übersetzen und von Experten prüfen.
Mehr dazu ist in Biologische Waffen -Nicht in Hitlers Arsenalen sowie in Anthrax und das Versagen der Biowaffen zu finden.


Fake News lösen Hitlers Biowaffen-Verbot aus
Gelegentlich wirkten sich Fake News aber auch kontraproduktiv zu den Intentionen ihrer Urheber aus. Einmal war es kriegsentscheidend: als Fake News über den angeblich bevorstehenden Einsatz von Kartoffelkäfern durch die Angloamerikaner Hitler 1942 veranlassten, Vorbereitungen für den Biokrieg einzustellen.
Alibek, Tularämie und die Schlacht von Stalingrad
Im Mai 1988 behauptete der sowjetische Dissident Kenneth Alibek vor einem Komitee des US-Kongresses, Stalingrad wäre vor allem deshalb von den sowjetischen Truppen erobert worden, weil sie erfolgreich die Erreger von Tularämie gegen die zur Entlastung von Stalingrad vorgesehenen deutschen Panzertruppen eingesetzt hätten. Das waren Fake News. Tatsächlich unterbrach die 4. Panzerarmee im Juli 1942 ihren Vormarsch in Richtung auf die umkämpfte Stadt wegen eines Ausbruchs von Tularämie, sondern auf Grund einer Weisung Hitlers.
Die Nürnberger Prozesse - Quelle für Fake News
Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Nürnberger Prozesse wurden von Deutschlands noch nicht völlig zerstrittenen Kriegsgegnern auf ganz unterschiedliche Weise zur Verbreitung von Fake News genutzt.
Die Sowjets missbrauchten das Forum, um Hitler-Deutschland mit einer schwergewichtigen Falschaussage zu bezichtigen, mit mörderischen Experimenten den bakteriologischen Krieg vorbereitet zu haben.
Die Angloamerikaner versuchten, Schweigen über das Thema "biologische Kriegsführung" auszubreiten und zu verhindern, dass entsprechende Informationen an die Öffentlichkeit gelangen.
Der AIDS-aus Fort Detrick Mythos
Wenn es heute immer noch die Herkunft von Covid-19 nicht eindeutig geklärt zu sein scheint, muss an die Desinformationskampagne erinnert werden, die vor vier Jahrzehnten von mindestens zwei verschiedenen Akteuren gestartet worden war, vom KGB, und von dem Ostberliner Biologieprofessor Jakob Segal. Auch damals suchte man nach Erklärungen für die Herkunft eines neuen, gefährlichen Virus, des HIV-Erregers. Auch damals wurde ein Militärlabor beschuldigt, mögliche Quelle der Infektionen gewesen zu sein: das mikrobiologische Forschungsinstitut der US-Armee in Fort Detrick, Maryland.
Solche Behauptungen fielen nicht zuletzt bei Kritikern der Gentechnik auf fruchtbaren Boden. Die GRÜNEN erklärten 1985 im Deutschen Bundestag, es sei "sehr wahrscheinlich", daß AIDS von im Laboratorium "künstlich [...] erzeugten Organismen hervorgerufen wird". Ich war anderer Meinung. In einem Festvortrag über "Genetic engineering: aid or AIDS?" argumentierte ich im Dezember 1985 auf dem Hämatologen-Kongress in Karl-Marx-Stadt, Gentechnik sei nicht die Quelle von AIDS sondern vermutlich ein mächtiges Instrument zur Bekämpfung der erworbenen Immunschwäche und anderer schwerer Krankheiten.
Dass der „HIV-aus-Fort-Detrick-Mythos" eine Desinformationskampagne des KGB war ist inzwischen bewiesen. Christopher Nehring hat im Archiv des bulgarischen Geheimdienstes die entsprechenden Belege dafür entdeckt. Die Kampagne erwies sich allerdings bald als kontraproduktiv. Sie gefährdete die internationale Kooperation, nicht zuletzt bei der AIDS-Bekämpfung. Und sie gefährdete die Kontrolle der Biowaffen. Wegen des massiven Protestes der US-Regierung lief diese Kampagne allerdings nur zwei Jahre, von 1985 bis 1987.
Dass der "HIV-aus-Fort-Detrick-Mythos" trotzdem weiter weltweit verbreitet wurde, bis über den Zerfall des Ostblocks hinaus, geht auf die beharrlichen Aktivitäten von Jakob Segal zurück. Der war – im Gegensatz zu Einschätzungen der US-Administration – nicht Ideengeber und/oder Sprachrohr des KGB, sondern Einzelkämpfer. Aus wissenschaftlichem Erkenntnisdrang wollte er der Herkunft von HIV auf den Grund gehen. Völlig beratungsresistent verbreitete er seine Vorstellungen systemunabhängig, d.h. vor und nach der Zusammenbruch des Warschauer Paktes, entgegen den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Community. Das war nicht Des-, sondern Misinformation.
Kurt Hagers „feindlich-negative politische Aussage“
Sinnentstellende Druck- und Satzfehler konnten manchmal erhebliche Folgen haben. Am 7. März 1953, beispielsweise, veröffentlichte die Gewerkschaftszeitung Tribüne unter dem Titel „Unsterblich ist Stalins Werk“ das Kondolenz-schreiben des ZK der SED. Unter anderem wurde darin Stalin als „der überragende Kämpfer für die Erhaltung und Festigung des Krieges“ gewürdigt. Wie Julia Wigger berichtete wurde der Fehler in der druckfrischen Ausgabe der Tribüne sofort entdeckt. Die Zeitung wurde zurückgerufen, ein Fünftel der 25.500 Exemplare konnten sichergestellt werden. Stasi-Chef Mielke wurde umgehend informiert. Der verantwortliche Setzer, der zuständige Chef vom Dienst, und der stellvertretende Chefredakteur – der den Fehler beim Korrekturlesen übersehen und nur ein fehlendes Komma entdeckt hatte – wurden verhaftet und zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Setzer gab an, der Fehler sei ihm infolge von Überanstrengung und Übermüdung unterlaufen.
Ein – zumindest in den Augen echter Marxisten-Leninisten – nicht minder gravierender sinnentstellender Fehler tauchte knapp zwei Jahrzehnte später in der Schrift Philosophie und Politik des Chef-Ideologen der DDR Kurt Hager auf.