Der Titel dieser meiner Autobiographie stammt nicht von mir. Er ist von einem so betitelten Kunstwerk übernommen, das die Karls-Marx-Städter, heute Chemnitzer Malerin Dagmar Ranft-Schinke 1981/82 geschaffen und dann mir gewidmet hat. Es ist in Mischtechnik auf Hartfaser gestaltet und 1.20 x 1.90 m groß.

 

„Drosophila oder die Versuchung“ entstand, nachdem Dagmar Ranfts Mann Thomas von der Akademie der Wissenschaften der DDR beauftragt worden war, anlässlich eines Baus eines neuen Gebäudes  des Zentralinstitut für Molekularbiologie (ZIM) in Berlin-Buch eine Grafik-Mappe zu schaffen. 

 

Die Ranfts waren zusammen mit Carlfriedrich Claus, Michael Morgner und Gregor-Torsten Schade (Kozik) Mitglieder der legendären aufmüpfigen sächsischen Künstlergruppe Clara Moschso benannt nach den  Anfangsbuchstaben ihrer Namen.

Ich war von meiner Institutsleitung mit der fachlichen Betreuung des Grafikers beauftragt worden.

Wir führten zahlreiche Vorgespräche, nicht nur in Berlin-Buch, sondern auch in Karl-Marx-Stadt. Ranfts Frau, eine Malerin, kam dann oft dazu. Sie wurde dann fast mehr von den Chancen und Risiken der modernen Genetik beeindruckt als Ihr Mann.

Dagmar Ranft-Schinke begann 1980 eine ganze Reihe kleiner und auch großformatiger Werke zu schaffen, die sich mit der Genforschung beschäftigen, etwa mit dem Titel Karneval mit Drosophila (1981) oder Traum des Genetikers (1988). Einige davon hat sie sogar mir gewidmet, darunter Drosophila oder Die Versuchung. 

Das großformatige Werk wurde 1982 – gegen Widerstände – auf der großen IX. Kunstausstellung der DDR in Dresden. Unmittelbar nach der Ausstellung wurde es das erste Objekt „Sozialistischen Mäzenatentums“:Das große Fritz-Heckert-Kombinat (die früheren Wanderer-Werke) kauften das Bild, um es dem Karl-Marx-Städter Museum zu stiften. Heute ist es Im Besitz der Kunstsammlungen Chemnitz.

Als ich dabei war, meine Autobiographie 2025 vom Berliner Wissenschafts-Verlag drucken zu lassen, das Bild und sein Titel wären wunderbar für mein Buch geeignet – nicht nur weil es ja mir persönlich gewidmet war. Die Verleger waren skeptisch, beugten sich aber meinen Wünschen. Sie hatten recht, das Buch verkaufte sich nur schleppend. Von dem Titel war fast nur ich begeistert. Viele potentielle Interessenten konnten mit „Drosophila“ nichts anfangen, obwohl die ihnen täglich um den Obstteller flogen. Werbung machte der Verlag kaum. Inzwischen gibt es ihn nicht mehr, und die hardcover-Ausgabe auch nicht. Aber eBooks.

Aber von Fachkollegen wurde das Buch freundlich aufgenommen, selbst von Ilko-Sascha Kowalczuk. 

Thomas Ranfts großformatige Spuren wurden pünktlich zur Einweihung des neuen Insti-tutsgebäudes fertig. (Es war das Letzten, das die Akademie noch vor der Implosion des Staates und ihrer Abwicklung gebaut hat.) Wie die Ehrengäste zur Institutseinweihung die Mappe gefunden haben, entzieht sich meiner Zeit. Konrad Naumann, der 1. Sekretär der Bezirks-leitung der SED Berlin, hatte jedenfalls bald Muße zum Detailstudium der feinen Grafiken. Er stolperte über einen politischen Witz und landete im Archiv.

 

 

Ein Jahrzehnt später fanden Ranfts Spuren noch einmal internationale Beachtung: Sie wurden den Ehrengästen überreicht, die anlässlich der Gründung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin nach Berlin-Buch gekommen waren.