dual-threat agents
in Arbeit
Biologische und Toxin-Waffen sind natürlich vorkommende Krankheitserreger, Schädlinge beziehungsweise von Lebewesen gebildete Gifte, die als Kampfmittel zur biologischen Krieg(s)führung oder für Biosabotage- oder Bioterroraktionen genutzt werden.
Vereinbarte Definitionen gibt es auf diesem Gebiet nicht, sie fehlen auch in der Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Weitergabe biologischer und Toxin-Waffen. Für aggressive militärische Zwecke geeignete Organismen werden bisher vorzugsweise als „dual-use“-Agenzien bezeichnet oder als „potentielle biologische Kampfmittel“, „putative biological weapons“ oder so ähnlich bezeichnet.

Als ich Anfang der neunziger Jahre das „Impfstoffe für den Frieden“-Programm öffentlich vorstellen wollte, schrieb ich in einer frühen Version, es ginge dabei um die Entwicklung von Vakzinen gegen dual-use-Erreger. Der Herausgeber von Politics and the Life Sciences machte mich damals aber freundlicherweise darauf aufmerksam, dass in diesem Zusammenhang der häufig verwendete Begriff „dual-use“ nicht passend sei: Mutter Natur mache keinen Gebrauch von pathogenen Keimen, wenn durch deren Einwirkung Menschen oder andere Lebewesen erkrankten.
Tatsächlich kann man derartige Erreger viel präziser bezeichnen als „dual-threat agents“, „zwiefach bedrohliche Agenzien“ oder kurz als DTAs. Der Begriff setzt sich allerdings nur langsam durch.
Das "dreckige Dutzend"
Zu den DTAs gehört nur eine begrenzte Anzahl von Agenzien. Sie werden häufig als „das dreckige Dutzend“ bezeichnet, obwohl es mehr als zwölf verschiedene Typen sind. Dazu gehört unter anderem Pasteurella pestis. Dieser Erreger der Pest soll schon im 14. Jahrhundert von den Tataren bei der Eroberung von Kaffa auf der Krim eingesetzt werden sein, wodurch der Seuchenzug des „Schwarzen Todes“ ausgelöst worden sei. Beweise dafür fehlen allerdings.
Sicher ist hingegen, dass 1763 von britischen Soldaten Pockenviren gegen aufständische Indigene im heutigen Pennsylvanien eingesetzt wurden.
Bacillus anthracis
Eines der am meisten gefürchtete biologische Kampfmittel ist Bacillus anthracis, der Erreger des Milzbrand. Anthraxbakterien und die Erreger der Pferdekrankheit Rotz wurden erstmals 1915 vom deutschen militärischen Geheimdienst für Biosabotageaktionen verwendet.
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Psittacose-Erreger als Kampfmittel
Die Psittakose oder Papageienkrankheit ist eine von Papageien und anderen Vögeln übertragene Krankheit, die durch Kontakt-, Tröpfchen- oder Staubinfektion auf den Menschen übertragen werden kann. Ihr – u.a. von Eugen Haagen beschriebener – Erreger ist ein heute Chlamydophila psittaci genanntes Bakterium. Vor Einführung der Antibiotika verlief sie in etwa 20% der Todesfälle tödlich.
Der Erreger galt – vor allem vor der Einführung der Antibiotika – ein hervorragendes Kampfmittel. Stefan Winkle begründete das in seiner großen Kulturgeschichte der Seuchen Geißeln der Menschen so: „Die Infektketten der Psittakose enden nämlich beim Menschen stets blind; eine Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt nicht. Das Versprühen einer Psittakose-Emulsion in Form einer Aerosolwolke aus Flugzeugen über einem feindlichen Gebiet würde Inhalationsinfektionen bei den dort Lebenden verursachen, aber den später nachstoßenden Angreifer unberührt lassen“.
Aus von der Alsos-Mission entdeckten deutschen Beutedokumenten geht hervor, dass im Rahmen des französischen Biowaffenprogramms schon vor dem Zweiten Weltkrieg „die Möglichkeit der Ausbreitung von Papageienkrankheit durch Agenten“ zumindest erwogen worden. Ob es in diesem Rahmen auch entsprechende Experimente gegeben hat ist nicht mehr zu ermitteln.1942 soll vom Office of Strategic Services, dem Vorläufer der CIA, überlegt worden sein, Psittacose-Erreger gegen die deutschen Truppen in Nordafrika einzusetzen. Das sei dann wegen des Rückzugs der Deutschen nicht mehr realisiert worden. Nach dem Krieg wurden sie im US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases in Fort Detrick bearbeitet, wo sie Ende 1968 einen Laborunfall verursacht haben sollen.
Ganz offenbar zeigten 1946 auch die Sowjets Interesse an diesem DTA. Jedenfalls versuchten sie über deutsche Experten, Eugen Haagen und Stefan Winkle, in den Besitz dieser Erreger zu kommen. Für Haagen gründeten sie sogar in Berlin-Buch auf dem Campus des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung, ein "Institut für Virus- und Geschwulstforschung". Der aber wurde kurz darauf in Westberlin verhaftet und sein Institut verschwand in der Versenkung.
Ob und inwieweit dann nach dem Ausfall Haagens im Rahmen des sowjetischen Biowaffenprogramms doch mit C. psittaci gearbeitet wurde, ist nicht ganz sicher. Im Moskauer Ivanovsky-Institut für Virologie wurden 1959 und später Aerosol-Arbeiten mit C. psittaci durchgeführt. Ob diese Versuche primär militärisch intendiert waren, lässt sich ohne Einsicht in die Akten des sowjetischen Biowaffenprogramms nicht beurteilen.
Noch im Jahre 2002 haben die Experten der strategischen Planungs-Arbeitsgruppe der Centers for Disease Control and Prevention Chlamydia psittaci in die zweitwichtigste Kategorie jener Erreger und Toxine eingestuft, die beim Schutz vor militärischer oder terroristischer Verbreitung biologischer und Toxin-Waffen besondere Beachtung erfordern.
HIV ist kein dual-threat agens
Wenn es heute immer noch die Herkunft von Covid-19 nicht eindeutig geklärt zu sein scheint, muss an die Desinformationskampagne erinnert , die vor vier Jahrzehnten von mindestens zwei verschiedenen Akteuren gestartet worden war, vom KGB, und von dem Ostberliner Biologieprofessor Jakob Segal. Auch damals suchte man nach Erklärungen für die Herkunft eines neuen, gefährlichen Virus, des HIV-Erregers. Auch damals wurde ein Militärlabor beschuldigt, mögliche Quelle der Infektionen gewesen zu sein: das mikrobiologische Forschungsinstitut der US-Armee in Fort Detrick, Maryland.
Solche Behauptungen fielen nicht zuletzt bei Kritikern der Gentechnik auf fruchtbaren Boden. Die GRÜNEN erklärten 1985 im Deutschen Bundestag, es sei "sehr wahrscheinlich", dass AIDS von im Laboratorium "künstlich [...] erzeugten Organismen hervorgerufen wird". Ich war anderer Meinung. In einem Festvortrag über "Genetic engineering: aid or AIDS?" argumentierte ich im Dezember 1985 auf dem Hämatologen-Kongress in Karl-Marx-Stadt, Gentechnik sei nicht die Quelle von AIDS sondern vermutlich ein mächtiges Instrument zur Bekämpfung der erworbenen Immunschwäche und anderer schwerer Krankheiten.
Dass der „HIV-aus-Fort-Detrick-Mythos eine Desinformationskampagne des KGB war ist inzwischen bewiesen. Christopher Nehring hat im Archiv des bulgarischen Geheimdienstes die entsprechenden Belege dafür entdeckt. Wegen des massiven Protestes der US-Regierung lief diese Kampagne allerdings nur zwei Jahre, von 1985 bis 1987.
Dass der HIV-aus-Fort-Detrick-Mythos trotzdem weiter weltweit verbreitet wurde, bis über den Zerfall des Ostblocks hinaus, geht auf die beharrlichen Aktivitäten von Jakob Segal zurück. Der war – im Gegensatz zu Einschätzungen der US-Administration – nicht Ideengeber und/oder Sprachrohr des KGB, sondern Einzelkämpfer. Der von ihm propagierte Mythos war keine Desinformation, sondern entsprach seiner Überzeugung.
Simulantien etc
Einige Mikroorganismen sind keine potentiellen biologischen Kampfmittel, können aber für militärische Zwecke genutzt werden. Dazu gehören Bacillus subtilis und Serratia marcescens. Sie wurden und werden als Simulantien eingesetzt, vor allem bei der Entwicklung von Ausbringungsverfahren sowie bei der Ausarbeitung von entsprechenden Defensivmaßnahmen, dem sog. „B-Schutz“.